Chopper auf der Bühne – 500.ste Post

Ich hätte mir vor ein paar Jahren nie erträumt, dass ich so viel Bloggen würde – was ist denn Bloggen.

Und selbst gestern hätte ich nicht gedacht, dass der 500.ste Post mit Tränen in meinen Augen geschrieben werden wird.

Doch Chopper hat mir dieses Geschenk gemacht, er hat auf einmal angefangen zu tanzen. Und zu singen: „Wer erlaubt mir zu tanzen….“ und er hat immer weiter gesungen und getanzt. Was und wie es ihm eingefallen ist. Und er tanzte und schwang sich dann auf seine „Bühne“ (eine Kommode) und sang und tanzte immer weiter. Es war wie in einem dieser Bollywood-Spektakel oder früheren Musicals.

Die Mummy1000Sunny hatte gottseidank schnell die Kamera bereit und irgendwann, als sein Text auf einmal von Menschen handelte, da kamen mir die Tränen – und jetzt schreibe ich den 500.sten Post mit Tränen in den Augen.

Ab irgendeinem Moment in meinem Leben hatte ich diese Freiheit nicht mehr – einfach loszutanzen, einfach loszusingen und dabei jedem in die Augen zu schauen. Ich hoffe wir können diese Freiheit für ihn erhalten und er kann sie sich für sein Leben bewahren.

Ein guter Witz

Es war einmal ein sehr autoritäres System. Dort schauten alle nach vorne und nach oben.

Kaiser Wilhelm II. schickte die Leute dann in den Krieg. Dieser Krieg ging verloren und man entschloss sich nicht mehr von einem Mann (der leicht schwachsinnig werden konnte) leiten zu lassen.

Als Gegenreaktion kam damit eine sehr freiheitliche Demokratie nach Kriegsende. Leider hatten ein paar Leute auf einem Kongress die Idee, dass man diese neue Demokratie und dieses Land doch alles reparieren lassen sollte, was im Krieg kaputt gegangen sei. Nicht nur ihr eigenes Land, sondern auch alle anderen Länder, wo die Kriegshorden gewütet hatten.

Auf demselben Kongress sagte eine Tröte (er hieß John Maynard Keynes): „Lasst das mal mit diesen ganzen Reparaturzahlungen – sonst habt ihr gleich wieder Krieg“. – „Nönö, das schaffen die schon“ – „Wenn ihr meint, ich verlasse diesen unseligen Kongress“

Nachdem man dann auch einen zweiten Weltkrieg gehabt hatte, beschloss man, dass es die Freiheit in der Demokratie gewesen war, die zum erneuten Krieg geführt hatte. Und wurde wieder ein bisschen autoritärer – am besten behielt man eine Menge Gesetze aus der autoritären Zeit des zweiten Weltkrieges gleich – die waren sowieso für 1000 Jahre gemacht.

Dagegen gab es dann aber auch Proteste, so um 1968 herum. Man machte einige Reformen, die Protestler wurden als Gescheiterte und ewig Unzufriedene bezeichnet und sie gliederten sich ein – anscheinend wurden sehr viele Lehrer.

Und das ist jetzt auch die Pointe des Witzes. Die Schule ist eines der Subsysteme, die immer noch nach den Prinzipien „Nach vorne schauen – tun was Dir gesagt wird – wann es Dir gesagt wird – und von oben bewertet werden“ funktionieren. Eines der sehr autoritären Systeme. Die dortigen Angestellten sind aber teilweise als frei denkend wollende aufgewachsen – jetzt aber Beamten im Staatsdienst.

Immer wenn man die Schule als autoritär kritisiert und sagt: „Seit Kaiser Wilhelm hat sich da nix wesentliches geändert – außer dass die Prügelstrafe sehr subtil durchgeführt wird“ – springt sofort ein Alt-’68 aus den Reihen der Lehrerschaft zur Verteidigung hervor und sagt: „Aber ich arbeite dort und sehr viele andere ’68, ergo ist die Schule liberal“.

Und so verteidigen die liberalen Geister ein autoritäres System mit dem ganzen rhetorischen Können eines Staatsdieners.

Auf die Frage hin, ob sie denn wenigstens streiken dürften – oder ihren Schülern dieses Recht hätten müssen sie leider schweigen.

Man könnte jetzt meinen: „Haha, guter Witz und der hat sich jetzt über einen so langen Zeitraum erzählt – also seit dem Amok-Kaiser Wilhelm?“

Nein, das geht schon viel länger. Die Schule war ursprünglich als Bildungsmittel für das Volk gedacht – von kühnen Reformatoren ersinnt, die dem damals ungebildeten Volk Bildung und Selbstbestimmung geben wollten.

Dann wurde es aber zu einem Herrschaftsinstrument gemacht, mit der noch besseren Idee (von oben), dass man die Leute ja bilden könne, aber man könne ihnen ja die falschen Sachen beibringen – oder noch subtiler die ‚richtigen‘ – man entwickelte Fächer und einen Lehrplan und Tests, die sicherstellten, dass der Lehrer nicht irgendwas mit denen macht. In der neuesten Variante heißt das Bildungsstandards. Immer, wenn man diese heute kritisiert, dann kommt sofort die Antwort: „Wissen Sie, dass sie eigentlich Luther kritisieren?“.

Etwas anderes verhält sich der Witz beim Notensystem. Dieses entstand wirklich aus niederen Beweggründen. Ein Tutor an einer englischen Universität (Cambridge), William Farish, hatte die Idee man könne das aktuelle System mit dem man schon erfolgreich Schuhe in englischen Fabriken bewertete, doch auch Schüler bewerten. Da käme man auch viel schneller vorwärts, der Zeitgeist war sowieso gerade „Industrielle Revolution“ und Tutoren wurden „pro Kopf“ bezahlt.

Mit der Idee, dass man objektiv Leistung bewerten konnte, so dachte man, könne man endlich soziale Ungleichheiten überkommen und allen den Zugang zur höheren Bildung ermöglichen, die es ihren Leistungen nach verdient hatten. So war die Benotung (nach Kulke, Rothermund – Geschichte Indiens) an manchen englischen Universitäten sogar sehr lange Zeit verboten – besonders, wenn es darum ging englischen Adel für Positionen in den indischen Kolonien auszubilden.

Dennoch setzte sich der Gedanke durch und heute gibt es in allen Ländern Noten. Besonders gut am Notensystem, das haben auch die Schichten im Wohlstand erkannt, ist, dass sie zwar objektive Zahlen sind, aber von Subjekten vergeben werden. Und wenn da ein Harz IV-Empfänger und sein Kind ankommt, dann ist das nicht so beeindruckend, als wenn ein Konzernleiter mit seinem Anwalt ankommt. Und so wurden diese Noten, ein sehr soziales Instrument zur Leistungserfassung, zu einem Instrument der Selektion.

Vergeben werden diese sozialen Noten von einer liberalen ’68-Generation an den Institutionen, die Luther, Comenius und andere Reformatoren und Nationalhelden einst von den Regierungen forderten und die nun „omnes omnia omnino“ („Alle alles ganz zu lehren“) versprechen.

Das wäre alles wirklich ein guter Witz, leider ist er traurige Realität und wir werden erst in 20 oder 200 Jahren drüber lachen können.