Was mich wirklich ärgert

Es gibt eine Sache, die ärgert mich mittlerweile wie keine andere. Die macht mich sauer und wütend.

Es ist die Frage, die eigentlich eine Behauptung ist: „Und was ist mit den DUMMEN Eltern?“

Ich will mich jetzt nicht darüber auslassen, was diese Frage überhaupt bedeutet und wen sie meinen. Ob das dumm ganz generell für Eltern gilt, oder ob es bestimmte Gruppen von Eltern sind, die dumm sind (nach welchen Kriterien auch immer).

Ich muss ehrlich gestehen, ich fühle mich damit angesprochen. Ich komme aus einem Haushalt wo Frauen gar nichts zählten. NICHTS. 4 Töchter und 1 Sohn. Nur einer ist etwas geworden. Der Sohn war der Letztgeborene, das macht es noch schwerer für die Töchter. Denn die standen unter der stetigen Anklage eben keine Söhne zu sein. Sie bekamen keinerlei Bildung und auch sonst nichts. Sie wurden zur Arbeit (Zement stampfen/ Steine tragen) benützt – und zur Ernte.

Und das alles geschah hier in München. Vater war ein CSU Wähler. Und die Schulpflicht gab es auch schon. Alle 4 Töchter gingen in die Schule. Meine Mutter ging gerne zur Schule, weil sie dort nicht so viel geschlagen wurde, wie zu Hause. Das störte aber die Schule überhaupt nicht.

Das Leben war wirklich hart zu diesen 4 Töchtern. Und wer so ins Leben startet, der hat auch nachher nicht mehr viel zu lachen. Und die Schule beging das schlimmste Verbrechen, es brachte all diesen 4 Töchtern bei, dass sie von ihrer „Qualifikation“ her nichts werden könnten.

Nehmen wir also an, dass Unschooling für alle erlaubt wäre, außer für die Kinder von solchen Eltern.

Dann säße ich alleine in der Schule. Ich konnte aber Unschooling. Ich habe so viel selber gelesen (ich hatte sogar Leselisten und Lesepläne), und mir alles selber beigebracht (außer Lesen), ich habe mir Bücher über Lernmetastrategien geliehen und gelesen, über Lernen und Vergessen. Ich habe sogar die Hausaufgaben der anderen Kinder korrigiert um der Erzieherin zu helfen. Ich habe für Kinder aus meiner Klassenstufe Nachhilfe gegeben. Die Schule stand mir immer nur im Weg.

Und ich wäre einer derer, die nach diesem Kriterium (den Eltern) in der Schule bleiben müsste. Aus dem Unrecht, das meiner Mutter angetan wurde würde ein Unrecht, das sich auf mich ausbreitet. Für alle, die dieses Kriterium bringen, es ist falsch. Und es ist dumm. Und es ist eine Frechheit. Und es ist ungerecht.

Wie dürft Ihr diese Frage also stellen, ohne mir direkt ins Gesicht zu schlagen? Ihr dürft fragen: „Wie können wir auch den Kindern von Eltern, die wir in der ersten Runde zu Grunde gerichtet haben, Unschooling ermöglichen?“.

Bevor jetzt jemand sagt: „Aha, Du generalisierst also doch Deine schlechten Schulerfahrungen“.

Ja, und ich habe jedes Recht dazu. Die Schule hat meine Seele zerissen. Ich war Computerspielsüchtig und ich war Fernsehsüchtig, ich habe Fingernägel gebissen, bis mein Nagelbett geblutet hat. Ich habe sie gehaßt und ich habe die Tage rückwärts gezählt. Ich bin jeden Tag so lange wie möglich aufgeblieben, nur damit ich das unvermeidliche, die Leiden des neuen Schultages so lange wie möglich herauszögere. Ich habe mir Vorwürfe gemacht, dass ich nicht wie ein Roboter funktioniere, sondern ein Mensch bin.

Das Schlimmste war aber nicht die tägliche Gewalt und auch nicht die ganzen anderen Punkte, die gerne gegen die Schule angebracht wurden – und die alle mir einreden wollen, dass das doch nicht so schlimm war und die Schule jetzt ganz anders sei und man das auch nicht generalisieren könne. 13 Jahre kann man nicht generalisieren! Und ich war nicht der Einzige der öfter auf der Brücke stand. Das Schlimmste war, dass einem das Leben zu dieser Zeit egal war. Ich habe das erst später begriffen. Aber man muss nicht leiden – um etwas zu „lernen“. Man muss nicht versuchen, so gut und schnell und schmerzfrei wie möglich durch seine Kindheit und Jugend zu kommen. Man kann sein Leben auch einfach genießen. Es gibt eine schmerzfreie Alternative bei der man viel mehr lernt – nämlich Unschooling.

Jeder hat das Recht seine schlechten Erfahrungen mit einer Institution, besonders wenn sie über Jahre gehen zu generalisieren. Der, der das wiederfahrene Leid leugnet, der der sagt: „Nein, das gab es nicht“ – der macht sich eines Verbrechens schuldig. Und nicht der Mensch, der gelitten hat. Eine Leugnung eines Verbrechens ist nur ein weiteres Verbrechen. Und wer da wissenschaftliche und empirische Daten und Belege verlangt, und das auch noch von den Opfern, der hat sich sehr weit vom Mensch-Sein entfernt.

Man kann von Eltern nicht verlangen ihre eigenen Kinder anzulügen. Wenn die Schulerfahrungen unmenschlich waren, dann kann man seinen Kindern doch nicht irgendetwas anderes daherlügen müssen. Wenn man keine Alternative kennt und seinen Kindern die natürliche Angst nehmen will (oder lindern), dann kann man zur Not lügen, wenn man keinen besseren Weg sieht. Aber wenn man Unschooling kennt und weiß, dass es viel besser ist als Schule, wenn man es immer wieder gesehen hat und mit solchen Kindern gesprochen hat, dann ist es doch ein Verbrechen, die Kinder anzulügen. Doch die Schulgesetze verpflichten zur Kollaboration, sie verpflichten Eltern dazu ihre Kinder zu betrügen und zu hintergehen.

Wie dem auch sei. Es geht nicht darum, wie schlecht die Schule ist oder war oder immer sein wird. Es geht darum, dass man Kindern nicht die bessere Alternative verweigern sollte, bloß weil sie „dumme“ Eltern haben. Das ist unmenschlich und grausam. Und besonders die „dummen“ Eltern haben meist sehr schlechte Schulerfahrungen – und sie müssen all ihr Leid noch einmal erleben. Ein zweites Mal. Und dann noch einmal an ihren Kindern. Und sie können ihnen meistens immer noch nicht helfen – so wie sie sich damals auch nicht helfen konnten und ihnen damals auch keiner half. Und sie müssen ihre Kinder immer wieder hinloben und hinermutigen – anstatt sich selber mit ihnen hinsetzen zu dürfen oder sie einfach frei lernen zu lassen und zu sagen: „We can“

(Dies ist kein Angriff auf Eltern, die ihre Kinder in der Schule haben)

Kritik eines Unschoolers am Unschooling

Sometimes people put up walls, not to keep others out, but to see who cares enough to break them down.

Sometimes people put up walls, not to keep others out, but to see who cares enough to break them down. (Photo und Text gefunden bei einem sehr fleißigen jungen Mann (reguläre Schule), dessen Arbeit ich sehr schätze)

Gerade habe ich einen neuen Unschooler gefunden, der gute Videos ins Netz stellt. Er hat selber Unschooling gemacht und ist jetzt schon ein bisschen weiter. Er beschäftigt sich mit der Theorie, gesellschaftlichen Auswirkungen und der Idee, warum sich die Sch..  immer noch hält. Und wir erfahren auch ein bisschen über ihn und seine Errungenschaften.

(Für alle, die Kinder vor „dummen“ Eltern beschützen wollen, bitte an die Stelle 5.00 genau hinhören)

Einer seiner Kommentatoren schreibt:

i died as a human being in school no one listened