Spracherwerb Kind vs. Erwachsener & Intelligenz der Dummköpfe

Zur Zeit lese ich Pädagogische Psychologie von Anita Woolfolk (Pearson Verlag). Ein fantastisches Buch; leider ist es nur die deutsche Übersetzung mit Anmerkungen und umgearbeitet auf den deutschen Unterricht. Jeder weiß, was ich vom deutschen Unterricht halte und somit stößt mich auch manches so ab, dass ich überlege mir das Original zu besorgen. Z.B. Sobald Kinder nachdenken sollen (um ihre kognitiven Fähigkeiten zu erweitern) sollen sie sofort über den 2.Weltkrieg nachdenken. Bäh! Können Sie nicht über Hoffnung und Freiheit nachdenken oder sich selber aussuchen über was sie nachdenken ? Auch wenn es dann vielleicht Mangas sind oder Computerspiele ?

Nun ja, das Buch ist (bis jetzt) so gut, dass ich zwei Textbeispiele bringen will.

Das erste über Piaget im Kulturvergleich (S.53):

>Sogar konkrete Operationen wie die Klassifikation erwerben Kinder in unterschiedlichen Kulturen auf verschiedene Weise. Wenn Menschen aus dem Stamm der Kpelle in Afrika z.B. gebeten werden, zwanzig Objekte zu sortieren (Messer, Orangen, Kartoffeln, usw), schaffen sie zunächst Gruppierungen, die ihnen sinnvoll erscheinen – ein Haufen bstehend aus Kartoffeln, Messer und einer Orange. Der Versuchsleiter konnte die Kpelle nicht dazu bringen, ihre Klassifikation oder Kategorien zu ändern; sie sagten, so würde das ein weiser Mann anordnen. Als schließlich der Versuchsleiter leicht verzweifelt fragte: „Wie würde das denn ein Dummkopf anordnen?“, gruppierten die Kpelle die vier Kategorien, die der Versuchsleiter erwartet hatte – Esswaren, Werkzeuge usw. (Rogoff & Morelli, 1989).<

Die zweite Stelle handelt vom Spracherwerb. Hier übertreffen sich Politiker ja mit Mutmaßungen über das Alter. Immer nach dem Motto, je früher desto besser: „Wenn wir das Kind von einer 7-sprachigen staatlich zertifizierten Lehrerin austragen lassen, dann wird es alle diese 7 Sprachen beherrschen. Akzentfrei und schon bei verlassen des Austrägerbauches!“.

Hier die wissenschaftliche Textstelle (S.69):

>Die Vorstellung, kleine Kinder lernten eine Zweitsprache schneller als Jugendliche und Erwachsene, ist falsch. Ältere Lerner durchlaufen schneller die einzelnen Stufen des Fremdspracherwerbs als kleine Kinder. Erwachsene verfügen über mehr Lernstrategien und größeres Sprachwissen (Metalinguistik) und setzen das nutzbringend beim Sprachenlernen ein (Diaz-Rico & Weed, 2002). Das Alter ist eine kritische Größe.<

Endlich sagt das mal einer: FALSCH!!!! Frühkindliches Lernen ist Quatsch!!!! Viele Reize, ja. Alles darüber hinaus ist Hoffnung auf faulen Zauber.

Es kommt dann noch etwas, dass die Aussprache in dieser Zeit besser gelernt wird und später immer ein Akzent bleibt. Das stimmt meiner Meinung aber auch nur unter bestimmten Bedingungen.

Meine Meinung: Während unserer Bildung werden wir Alphabetisiert. Nun ist leider die Alphabetisierung (so toll sie auch ist) eine Vereinfachung der phonetischen Möglichkeiten unserer Sprechapparatur. Lernen wir jetzt eine Fremdsprache, so lernen wir sie komplett über unsere Vorstellungen, von unserem Alphabet und von unserer Satzmelodie.

Würde unser Lernen einer Fremdsprache nun komplett in dieser Sprache erfolgen, ohne Gedanken an Alphabet oder Wortgrenzen, dann würden wir sie akzentfrei lernen. Will jemand also eine Sprache lernen, so soll er gerne seinen Wortschatz über Vokabellisten aufbauen. Aber er darf nicht vergessen: Nursery Rhymes, viel Fernsehschauen und Lieder im Radio mitsingen. Und am besten eine ganze lange Zeit nicht in Buchstaben denken 🙂