Ein paar interessante Zitate aus Communitas (Goodman)

So spricht Paul Goodman in Communitas:

S.103: Die Massen jedoch sollen – ganz dem Geist Veblens widersprechend – in das zwischen den Fraktionen der <<Structural Study Associates>> stattfindende Glücksspiel um die finanzielle Zukunft verwickelt werden (Buckminster Fuller’s Meinung)

(Modell effizienter Konsum: )

S.174: Es ist gar keine Frage, dass die klassischen Werke aus Kunst und Wissenschaft in Waren verwandelt werden (etwa als Taschenbuchausgaben) und dass diese Umwandlung noch stärker betrieben werden kann. Auf der anderen Seite können solche Bücher nicht einfach verkonsumiert und auch nicht laufend neu >>produziert<< werden. Sie ausbeuten zu wollen, wäre auch kurzsichtig, denn eine unbedachte Popularisierung der Klassiker müsste dem sicheren Absatz der Illustrierten schaden. Bildung ist notwendig, um überhaupt Kultur zu erhalten. Zu viel davon ließe allerdings zu viele Leute klar sehen.

Diesen und ähnlichen Problemen hilft der Park ab. Es gibt dort Cafés im Freien und Tanzflächen, die den Reisenden aus den Hotels zugänglich sind, wenn sie aus dem Zentrum kommen.

Über Nachbarschaften:

S.175: Die Idee von Nachbarschaft ist es, zum menschlichen Maß zurückzukehren. Auch in der Stadt des effizienten Konsumierens ist die Nachbarschaft eine grundlegende Sache, da dort der gegenseitige Neid und die gegenseitige gehässige Beaufsichtigung stimuliert wird.

Wir können das so erklären: Es ist im allgemeinen unbefriedigend und unangenehm, auf Familienmitglieder und Freunde neidisch zu sein oder ihnen ihre wirtschaftliche Unterlegenheit zu demonstrieren. Andererseits kann man das auch nicht bei völlig Fremden. Darum muss es wenigstens für den häuslichen Gebrauch der Waren, um den Neid zu erregen, eine Nachbarschaft geben. Die Nachbarn sind neugierig, beurteilen die Kleidung, achten darauf, dass der Vorgarten gepflegt ist. Sie sind keine so nahen Bekannten, dass man sich scheut, anzugeben. Sie kennen einen nicht gut genug , um einen zu durschauen.

Die Nachbarschaft sollte aus verschiedenen sozialen Schichten zusammengesetzt sein. Jede Schicht muss stark genug vertreten sein, um jeder Familie Sicherheit zu bieten und die subtilen Formen der Beaufsichtigung zu ermöglichen, die unter Leuten geschieht, die sich untereinander besuchen. […]

Jeder Block hat seine Läden, Tennisplätze, Kindergärten, Grundschulen, wo die Nachbarn miteinander verkehren und wetteifern können. […]

Die Bewohner bestehen zu 40% aus älteren Leuten. Das ist das unvermeidliche Ergebnis zweier Trends […]

Andererseits bedeutet das eine perfekte Umwelt für Hypochonder: Geschützt vor den Elementen, klimatisiert, einfache Transportwege, schnelle Dienstleistungen, das alles ist so organisiert, dass das schwache Herz nicht angestrengt und dass von den wackligen Beinchen keine Vitalität verlangt wird.

[…]

Das ist eine Umwelt von Raum, Nahrung, Sonnenlicht, Spiel und beruhigender Unterhaltung, über deren großenteils biologisch und physiologisch determinierte normale Erfordernisse jedermann gleicher Meinung ist.

S.181: Direkte politische Initiative kann in der Stadt effizienten Konsums nicht ergriffen werden, weder in nationalen noch lokalen Angelegenheiten. Denn die expandierende Wirtschaft entwickelt heikle Strukturen, die nur durch eine Korporation von Technologen, Geschäftsleuten und Ökonomen gemeistert werden können. Periodische Wahlen wie Werbefeldzüge. Die Käufer können zwischen verschiedenen Marken wählen, die im Grunde identische Waren sind.

S.260: Die folgenden Stadien liegen zwischen einfachem Job und wahrem Beruf: Die Arbeit (a) ist bloß Antwort auf die Pressionen einer geldorientierten Gesellschaft, (b) stellt die verfügbare Möglichkeit dar, den Lebensunterhalt zu verdienen, (c) interessiert die Person, d.h. steht in Relation zu freundschaftlichen und familiären Traditionen und Kindheitswünschen, (d) stützt sich als Ausfluß eines intensiv betriebenen Hobbies auf freie kreative Kräfte, (e) macht die Erfahrung aus, die ein Mensch sich wünscht.

Das erste Stadium, ein nur ökonomischer Job, ist das, in welchem die meisten Menschen heute arbeiten müssen. Jobs für Familien und Gruppen waren früher geläufig, Hobby-orientierte Tätigkeiten stellen in unserer Gesellschaft für viele ihrer Mitglieder ein erstrebenswertes Ziel dar. Diese Tätigkeiten verlangen jedoch mehr Freiheit der Möglichkeiten und reifere Persönlichkeiten, als die gegenwärtigen Zustände erlauben. Wahrer Beruf allerdings ist vielleicht gar nicht mit gesellschaftlichen Mitteln herzustellen (in vielen Fällen ebensowenig zu verhindern).

Der soziologische Zoo

(ein sehr interessantes Kapitel)

Lev Vygotskij – Denken und Sprechen (Kap 2 – II)

Vygotskij nimmt sich nun die erste Stufe des kindlichen Denkens nach Piaget vor (das autistische Denken noch vor dem Egozentrismus).

Autistisches Denken kommt erst später in der Entwicklung

Piaget beschreibt die erste Stufe als „autistisches Denken“ – Träume und Halluzinationen, eine „Art Fata Morgana“ gelenkt vom Lustprinzip.

Der ursprüngliche Autor des Begriffes „autistisches Denken“ ist E.BLEULER, welcher selbst sagt: Der Begriff autistisches Denken führte zu vielen Mißverständnissen […] Das Kind und das Hühnchen im Ei fantasieren ihre Bedürfnissbefriedigung nicht. Sie nehmen ihre Bedürfnisse war und befriedigen diese mit echter Nahrung.

„Ich sehe auch beim etwas älteren Kinde nicht, daß es einen eingebildeten Apfel über einen wirklichen stellen würde; der Imbezile und der Wilde sind währschafte Realpolitiker, und der letztere macht seine autistischen Dummheiten, genau wie wir an der Spitze der Denkfähigkeit stehenden Menschen, nur da, wo sein Verstand und seine Erfahrung nicht hinreicht;“ (S.74)

Da die Befriedigung des Hungers erst nach der realen Nahrungsaufnahme eintritt ist die Verhaltensweise von kleinen Kindern nicht autistisch.

BLEULER schiebt das autistische Denken nun weit nach hinten, und sagt, dass es erst eintreten kann, wenn der Verstand sich eine Zeitlang normal entwickelt hat. Diese Irrealfunktion des Verstandes kann nicht primitiver sein, als das wirkliche Denken und sie muss sich parallel mit diesem entwickeln.

„Da erst kann man Vorstellungen haben, die mit lebhaften Lustgefühlen verbunden sind, Wünsche bilden und sich an ihrer phantasierten Erfüllung ergötzen und die Außenwelt in seiner Vorstellung umgestalten, indem man das Unangenehme derselben nicht denkt (abspaltet) und Angenehmes eigener Erfindung hinzusetzt“ (S.76)

Autismus als Werkzeug zum Spielen

Nun wird eine sehr interessante Einsicht BLEULERs wiedergegeben. Dieser beschäftigt sich nämlich mit der Frage, warum schon 2 jährige Kinder so viel autistisch Denken (z.B. Wachträume und Spiel).

„Der Autismus gibt einen günstigen Boden für die Übung der Denkfähigkeit ab. In seinen Phantasien entwickelt das Kind seine kombinatorischen Fähigkeiten genauso wie seine physische Gewandheit in Bewegungsspielen. >> Wenn es Soldat oder Mutter spielt, übt es notwendige Vorstellungs- und Gefühlskomplexe im gleichen Sinne ein, wie das speilende Kätzchen sich für den Fang von lebenden Tieren vorbereitet<< (BLEULER)“

Autismus hat keine Nähe zum Unbewusstsein

Der letzte Punkt ist die „Nähe des autistischen Denkens zum Unbewussten“. Dieses widerlegt BLEULER, so wie Vygotskij: Das autistische Denken des Kindes „ist aufs engste und unlösbar mit der Wirklichkeit verbunden und operiert fast ausschließlich mit dem, was das Kind umgibt und womit es in Berührung kommt.“ (S.76)

Träume und Fieberdenken sind deswegen verzerrt, da sie Träume und Fieberdenken sind und deswegen die Realität verzerrt darstellen (im Gegensatz zum autistischen Denken).

Dies ist meiner Meinung nach etwas kurz Gegriffen, dennoch stört das die weiteren Ausführungen nicht.

Schlussbemerkung zu dem Begriff „autistisches Denken“

Am liebsten würde BLEULER den Begriff „autistisches Denken“ durch „irrealistisches Denken“ ersetzen. Zudem darf autistisches Denken nicht mit dem schizophrenen Autismus verwechselt werden.

Fazit

In diesem Teil zeigt Vygotskij überzeugend, dass der Mensch ab der ersten Sekunde versucht die Realität zu verstehen und später das autistische Denken als Werkzeug entwickelt.

Buchbesprechung/Inhalt – Pädagogische Psychologie 10.Auflage – Anita Woolfolk – Kapitel 3

Persönlichkeits-, soziale und emotionale Entwicklung

Nachdem in Kapitel 2 die Entwicklung des Denkens besprochen wurde, werden jetzt die anderen Entwicklungsdimensionen betrachtet und die verschiedenen Modelle besprochen.

3.1 Körperliche Entwicklung

In der Adoleszenz findet ein zunehmendes Maß an körperlichen Veränderungen statt (eigentlich doch schon die ganze Zeit davor) – dieses führt dazu, dass sich jugendliche intensiv mit ihrem Körper auseinandersetzen. Niemals zuvor wurde soviel Wert auf äußere Erscheinung gelegt, wer sich da reinsteigert ist schnell bei Essstörungen und Magersucht – wobei Magersucht zum Hungertod führen kann.

In diesem Alter benötigen Menschen eine verstärkte emotionale Ansprache, deshalb suchen sie Abenteuer und Risiken – Lehrer können diese Suche auf politisches oder soziales Engagement hinführen.

Auch die Uhren werden neugestellt, so dass manche nicht vor 0.00 Uhr einschlafen können. Da die Schule aber dieses nicht berücksichtigt kommt es zu diversen Problemen.

–> Ich bin hier nicht einverstanden mit der vorschnellen Art die Ursache zu finden: Also woher kommt denn die Fixierung auf das Aussehen (laut KMK dürfen sich Schüler in sonst nichts mehr unterscheiden). Und ich glaube kleine Kinder brauchen genauso eine verstärkte emotionale Ansprache und kommen auch oft nicht vor 0.00 Uhr ins Bett. Wenn man bereit ist auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Und sie nicht mit kulturellen Gebräuchlichkeiten niedermäht. Für die Mehrheit der westlich-orientierten Welt muss man allerdings zustimmen.

3.2 Erikson: Stufen der individuellen Entwicklung

Eriskons psychosoziale Theorie beschreibt Entwicklungsstufen, die immer eine neue Entwicklungskrise mit sich bringen, die dann entweder erfolgreich oder erfolglos abgeschlossen wird:

Urvertrauen vs Misstrauen 0-12/18 Monate Stillen Füttern liebevoller Ansprechpartner
Autonomie vs. Scham/Zweifel 18-13 Monate Reinlichkeitserziehung Kontrolle über Körper
Initiative vs. Schuldgefühl 3-6 J. Selbstständigkeit Eigene Initiative ermutigen

Eine vollständige Auflistung der Stadien, die bis zum Tod gehen ist hier.

Stufe 4 – Fleiß vs Minderwertigkeit. „Wie gut Schüler in den ersten Schuljahren sind, bestimmt mehr den zukünftigen Schulerfolg als ihre Schulleistungen zu jedem anderen Zeitpunkt“ (Entwisle & Alexander, 1998, S.354).

Die Schule vertritt allerdings Werte und Normen der Mittelklasse, allen darunter wird das Leben besonders erschwert.

Im Jugendalter (Stufe 5) sucht der Mensch seine Identität. Dies mündet entweder in:

1.) Übernommene Identität: Keine eigene Erforschung sondern Übernahme von Werten eines aktuellen Vorbildes. Neigung zu Rigidität, Dogmatismus und Defensivität.

2.) Moratorium: Man weiß noch nicht, was man werden soll, sucht deshalb noch weiter (Moratorium: Verweilen)

3.) Erarbeitete Identität: Man weiß was man werden will und setzt das um. Bei Studenten dauert es etwas länger (Studienabbrecher).

Heutzutage unterscheiden sich diese Stufen stark von früher. Länge, Art und Wiederholbarkeit haben sich verändert – alles ist flexibler.

Wenn man die letzte Phase meistert (Ich-Integrität vs. Verzweiflung) überkommt man die Angst vor dem Tod, ansonsten verzweifelt man daran, dass man mehr aus seinem Leben hätte machen können jedoch nichts daraus gemacht hat.

Bronfenbrenner: der soziale Kontext für Entwicklung

Bronfenbrenner entwickelte ein Modell, das die Kultur und die Machtverhältnisse, sowie die persönliche Geschichte eines Menschen mit in Betracht zog.

Da die Systeme sehr unterschiedlich dargestellt werden (je nach Adaption) gebe ich hier zwei Links an:

In diesem PDF gleich auf Seite 1

oder hier:

(das Chronosystem wird bei Woolfolk und somit hier nicht besprochen)

Die wichtigsten Erkenntnisse sind:

1.) Alle Einflüsse in sozialen Systemen sind wechselseitig

2.) Es gibt viele wechselseitige, dynamische Einflüsse, die die Entwicklung beeinflussen

Die wichtigsten Kontexte werden im folgenden zusammengefasst:

3.3.1 Familien

Familien treten in vielen Variationen auf, von der Ein-Kind-Familie bis zur 5-Kind-Patchwork-Familie, Scheidung, Adoptiv, nur ältere Geschwister usw.

Scheidung

Scheidung bedeutet eine starke Veränderung und starke Anpassungsleistungen für das Kind. Auch die Zeit vor der endgültigen Trennung waren meist lange, konfliktreiche Jahre. Die ersten 2 Jahre nach der Scheidung sind die schwersten.

Erziehungsstile

4 Erziehungsstile wurden von untersucht (Berger (2006)) – je nachdem, wie starkt ausgeprägt Wärme und Verständnis waren, und zusätzlich, ob geringe oder starke Kontrolle ausgeübt wurde:

1.) Autoritäre Eltern (wenig Wärme, starke Kontrolle)

Begründungen sind meist: „Weil ich das sage!“ – Wenige Austausch über Gefühle – Strafen streng aber nicht hart. Lieben ihre Kinder, zeigen aber ihre Gefühle nicht. -> Schuldgefühle und depressive Verstimmungen (kann, muss nicht)

2.) Autoritatives Erziehen (viel Wärme, starke Kontrolle)

Klare Grenzen und Regeln. Erwartet reifes Verhalten. Hören sich Kummer der Kinder an, geben Erklärungen für ihre Regeln, demokratische Entscheidungsfreiheit. Anleitung statt Strafen. Eltern helfen Kindern Konsequenzen zu überblicken. -> zufrieden mit sich, gute Beziehungen zu anderen

3.) Permissive Eltern (viel Wärme, wenig Kontrolle)

Viel Wärme, wenig Regeln. „Es sind doch noch Kinder“ -> Probleme bei sozialen Interaktionen

4.) Ablehnende, vernachlässigende Eltern (wenig Wärme, wenig Kontrolle)

Emotional wenig an die Kinder gebunden. Möchten mit Elternaufgaben nicht belästigt werden. ->  auch schlecht, aber nicht weiter ausgeführt

Wenn Eltern oder Lehrer die Funktion von „Türöffnern“ übernehmen (also Kinder selbständig neue Erfahrungsräume erschließen lassen) trägt das zur „Entschärfung“ der Erziehungssituation bei.

….to be continued (ist ein recht großes Kapitel)

Buchbesprechung – Timm Thaler – Das verkaufte Lachen – James Krüss

(Papa)

Vorweg will ich sagen: Timm Thaler, das ist ein Buch, das ich nicht mehr weglegen konnte.

Timm, das ist ein Junge, der ein so trauriges Schicksal erleidet, dass er sein Lachen dem Teufel verkauft.

Es ein tolles Buch, das um die große, weite Welt führt. Der Teufel erklärt wie komplex wirtschaftliche Systeme sich untereinander bedingen und wie stark abgesichert Machthaber ihre Macht haben. Wie zynisch der schöne Schein durch Blut genährt wird.

Hier erfährt man über den Wert des Lachens und warum manche Erwachsene gar kein Lachen mehr brauchen.

Warum Macht so verführerisch ist, und am Ende doch nichts anderes als ein Zwang den der Mächtige auf seine Mitmenschen ausübt. Und warum er sich am Ende isoliert.

Wie man sein Lachen in einer verrückten Welt behält, es verliert oder es zurückgewinnt, es verkauft und verleiht und manchmal sogar vergisst – und dass Verträge existieren, nur um gebrochen zu werden.

Bei den Verträgen fällt mir eine interessante Geschichte über eine wirkliche Person ein, von der ich vor kurzem gelesen habe. Es ging um einen Millionenvertrag. Die Anwälte von Partner A wollten das die Person (ein reicher Geschäftsmann) den Vertrag vor Unterzeichnung gegenliest. Er verweigerte mit den Worten: „Ich lese keine Verträge“. Die Anwälte von Partei A strichen darauf hin ein paar Passagen und legten ihn zur Unterzeichnung vor.

Doch dieses Buch bietet soviel mehr. Irgendwie war es für mich ein Platz zum ausruhen. Dort kann man ein echtes Lachen „hören“ und das Lachen eines Kindes noch einmal so beschrieben bekommen, dass es auch ein Erwachsener versteht. Damit ich das nächste Lachen meiner Kinder richtig genießen kann, vielleicht sogar etwas davon lernen kann. Nämlich, wie man lacht, ohne sich zu schämen, dass man lacht. Ohne daran zu denken, dass man zu laut lacht, oder zu kindisch, oder zu lang, oder ein grunzen daraus werden könnte.

Vielleicht kann ich das Lachen wieder so lernen, wie ich vielleicht als Kind lachte.
Den eines sagt dieses Buch auch: Auch beim Lachen gilt – wer suchet, der findet; selbst wenn man es vom Teufel persönlich wiederholen muss. Und es ist nie zu spät, egal, wie lange man nicht mehr gelacht hat.

Buchbesprechung – Kleiner König Kalle Wirsch

(Papa)

(Lesetechniken: All, letzte 3 Kapitel diagonales Lesen)

Dies ist mal wirklich ein Buch, das gänzlich für Kinder gedacht ist. (Vielleicht ist mir aber auch der tiefere Sinn einfach nicht aufgefallen)

Kalle Wirsch (der König) wird zum Kampf um die Krone herausgefordert. Durch einen Hinterhalt und eine juristische Spitzfindigkeit soll ein Unwürdiger an die Krone kommen (wozu gibt es Jura denn sonst:) ? )

Gestrandet und zum Gartenzwerg umgearbeitet trifft er die beiden Kinder Max und Jenny. Diese wollen ihm sofort helfen und ab geht es in die Unterwelt.

Es werden interessante Kinderfragen beantwortet, ohne jemals gestellt zu werden. Und die Antworten sind eher für eine erste Denkanregung gedacht, als echte Fakten.

Die Fragen und Antworten sehen ungefähr so aus:

Wie entstehen Naturereignisse? Lebewesen lösen sie aus (Vulkanausbrüche z.B. durch Streitigkeiten von großen Kochtöpfen gefüllt mit Magma)

Wohin gehen die Schatten, wenn es Nacht wird? Sie toben sich an dem Schattenbrunnen aus.

Wer bin ich, und wenn ja, wieviele? Du bist Du, bist, und zwei.

Vorsicht Spoiler! Nicht lesen, wer das Ende selber rausfinden will.

Am Ende beweist der Bösewicht Mut, als er mit Kalle doch noch kämpft. Zu dessen Unglück hat Kalle jedoch die größere königliche Würde (Autorität?) und der Bösewicht schrumpft auf Kalles Befehl.

Alle sind glücklich. Jenny und Max bekommen jeder 3 Goldstücke, Nachtsichtaugen und Schrumpfwurzel. Die Fledermaus Turtulla verspricht sie öfter mal zu besuchen.

In jedem Kapitel befinden sich schöne Rätsel, die Kindern wahrscheinlich viel Spaß machen (meine sind leider noch zu klein um das testen zu können).

Buchbesprechung – Norbert Elias – Über den Prozeß der Zivilisation (Teil 1)

Bis jetzt war ich ja ein Fremder in Soziologie. Das hat sich mit dem ersten Teil von Norbert Elias Meisterwerk geändert. Meisterwerk kann man zu diesem Buch (und der Forschungsarbeit) wirklich sagen. Er beschreibt darin, wie sich die Zivilisation entwickelt hat, und warum sie so ist, wie sie ist. Und warum wir Menschen sind, wie wir sind.

Hier gibt er einen geschichtlichen Rückblick (bis zum Untergang Roms) und beschreibt anhand von geschichtlichen Dokumenten und Sittenbüchern wie sich das Verhalten (Affekte, Peinlichkeitsschwelle, Schamgrenze) über die Jahrhunderte verändert haben.

Sein Bild ist das von einer fortschreitenden Zivilisierung (Entmenschlichung) die alle natürlichen Dinge (Spucken, Toilettenbenutzung, Sexualität, Aggression, Schlafen, Nacktheit) immer weiter in die verborgenen Winkel des privaten versteckt. Heimlich sind wir noch Menschen. Bemerkbar ist das ganz deutlich an Kindern, die noch nicht so „zivilisiert“ wurden. Der Unterschied zwischen den (noch) unzivilisierten Kindern und den (schon) zivilisierten Erwachsenen ist mehr als ein einfacher Unterschied, es ist eine Distanz. Umso mehr die Zivilisation fortschreitet umso distanzierter sind wir von unseren eigenen Kindern.

Es dauert eine Weile, bis unsere Kinder genauso durchformt und durch gesellschaftlichen Druck genauso zivilisiert sind, dass sie dieselben Selbstzwänge haben, die unser Affekthaushalt zeigt.

Nicht alle können alle Selbstzwänge korrekt verinnerlichen und es kommt auch manchmal zu Abwehrreaktionen. Diese werden von der Gesellschaft als Neurosen und Perversionen geahndet.

Die Art der Verinnerlichung von neuen Zwängen geht folgende Phasen durch:

-Fortschreiten der Peinlichkeitsschwelle

-Vorschriften in Sittenbüchern (Zwänge von und in einer Eliteschicht)

-Popularisierung der Zwänge (oft durch den „Bildungsauftrag“ der Kirche, die das Elitenwissen und auch deren Courtoisie den breiten Bevölkerungsschichten zugänglich machen will)

-Internalisierung der Zwänge (ein System von Unannehmlichkeiten, die verschiedenst ausfallen wirken hierein – Gesetze, Verbote, schlechtere Aufstiegschancen)

-Selbstzwang

-Erneutes Fortschreiten der Peinlichkeitsschwelle

..

Für die neuen Sitten werden zu Anfangs noch Begründungen gegeben (z.B. Spucke nicht auf den Tisch, weil…); diese fallen dann aber später weg, da es von der Gesellschaft schon so verinnerlicht wurde, dass eine Begründung nicht mehr notwendig ist. So kommt es dass wir viele Dinge machen, von denen wir nicht deren Richtigkeit überprüfen, da sie so tief in unserer Durchformung verankert sind. Als Beispiel nennt er die vielen Verbote, die sich um das Messer ranken.

Die Sitten, die wir heutzutage als selbstverständlich empfinden, führen wir meistens auf hygienische Gründe zurück. Dass sie deswegen entstanden sind ist falsch. Früher galt zu Anfangs die Begründung, dass es unhöflich gegenüber höher stehenden Menschen sei. Dann, dass es den Schutzengeln peinlich sei. Darauf folgten noch andere Begründungen, die sich dann über die Hygiene Richtung allgemeiner Sicherheit näherten.

Die Begründungskette kann man am eigenen Leib erleben. Hier verweise ich auf das Barfuß-Experiment.

Das Buch ist fantastisch, wenn auch manchmal sehr deprimierend. Und ich freue mich schon auf den zweiten Teil. Jeder Mensch, der verstehen will, warum Homeschooling in Deutschland verboten ist, der sollte hier einige Fragen erklärt bekommen.

Deprimierend ist das Buch deswegen, da er die aktuelle Gegenreaktion gegen die mehr und mehr beengenden Sittenvorschriften und Verbote als eine natürliche, kurzfristige Gegenreaktion klassifiziert und dies an geschichtlichen Beispielen verdeutlicht. Nach diesem ersten Teil beschleicht einen das klamme Gefühl, dass die Richtung eindeutig und unveränderbar ist.

Der Prozeß der Zivilisation ist nicht überall gleich weit fortgeschritten. Für Deutsche ist der Besuch in einem noch nicht so zivilisierten Land, z.B. Abessinien oft wie ein Schock. Besonders das häufige und viele Spucken wirkt sehr abstoßend, da unsere Peinlichkeitsschwelle schon fortgeschritten ist.

Ein Beispiel für eine „zivilisiertere“ Gesellschaft als die Deutsche, ist eine, in denen das Messer ganz aus den Augen der Essenden zu Tisch verschwunden ist. Das Fleisch wird schon vor dem Essen in der Küche zerlegt. Die „Tatwaffe“ bleibt verborgen. Kleine Preisfrage: In Restaurants welcher Nationalität ist das schon so? Dort bezeichnet man die Europäer als Barbaren, die noch mit dem Schwert essen.

Einen Menschen irgendwo auf der Welt zu finden, der den Nullpunkt an Zivilisiertheit darstellt bleibt ein Traum. Da jeder Mensch von Geburt an durch seine Umwelt geformt und modelliert wird, nennt Elias den ungeformten, unzivilisierten Menschen ein Phantom.

Zivilisiertheit ist für Norbert Elias kein positiver oder negativer Begriff, er markiert einfach die Höhe der Peinlichkeitsschwelle und die Distanz, die der Erwachsene zu seinen Kindern hat.

Im zweiten Teil geht die Fortschreibung der Geschichte weiter und Elias verspricht einen Entwurf der Theorie der Zivilisation. Ich hoffe auf ein gutes Ende 🙂

Buchbesprechung – Die Mummins – Geschichten aus dem Mummintal

(Papa)

Die Mummins, das sind kleine Wesen, die von der Dichterin Tove Jansson erfunden wurden. Die Mummins sind aber nicht nur Wesen, sonder sie sind eine eigene Welt. Zauberhaft. In dieser Welt gibt es auch Hatifnatten, den Schupferich, Snorks und Hemuls.

Sie schreibt über Fantasie, die die Erwachsenen nicht verstehen, und man muss ganz alleine damit fertigwerden, wenn sich der Weg vor einem auf einmal in ein dunkles Moor voller Monster verwandelt.

Aber auch die Bedrohung, die immer gefürchtet wird und die Fillifjonka zu einem ängstlichen Wesen macht, das sich immer tiefer in ihr bedrohliches Haus vergräbt – bis eines Tages, die Bedrohung kommt, und das Haus zerreißt. Im selben Moment nimmt sie Gestalt an und befreit die Angst und den Menschen der Gefangen war.

Auch der Sinn des Lebens kommt nicht zu kurz, denn dem Mumminvater wird es langweilig beim Kaffetrinken auf der Veranda und dann haut er ab. Er schließt sich den freien Hatifnatten an und erfährt, dass Freiheit seinen Preis hat und das er der ist, der er ist – und dies eigentlich auch sein mag.

Der Hemul liebt die Stille muss aber auf einem Jahrmarkt arbeiten. Fahrkarten lochen, das alleine macht ihn schon depressiv. Auch hier sorgt ein Gewitter wieder für die Vernichtung des Jahrmarkts. Am Ende merkt der Hemul aber, dass er Kinder mag und auch das Spielen dürfen sie – leise aber – nur jauchzen dürfen sie manchmal – er will ja sichergehen ob sie auch Spaß haben.

Buchbesprechung – (Vorläufig) Jacques Derrida – Schurken

(Papa)

So Derrida habe ich jetzt gelesen. Und viel neues dabei gelernt. Zusätzlich habe ich es in 2 Tagen mit meiner neuen Lesetechnik durchgelesen. Deswegen ist diese Buchbesprechung auch nur vorläufig.

Derrida ist ein Philosoph und sein Gebiet die Dekonstruktion, das bedeutet er zerreißt/zerlegt Wörter und Sachverhalte und schaut was dann noch übrig bleibt.

Schurken, das sind alle Staaten. Der erste Schurke, das sind die USA. Das Recht des Stärkeren ist immer das beste. Denn der Stärkere, der macht das Recht (indem er sich zusätzlich das Gewaltmonopol sichert).

So nennt er auch die Fabel über den Wolf und das Lamm. Nachdem der Wolf in einem langen und überzeugenden Diskurs das Lamm überzeugt hat, dass es gefressen werden muss, kann er es fressen. Er fragt, wer ist nun nach unserer Sicht der Schurke. Der Wolf bestimmt nicht, denn er hat ja klar und deutlich das Recht auf seiner Seite und dieses dem Lamm auch dargelegt. Das Lamm ist trivialerweise auch nicht der Schurke.

So gibt es denn in unserer Welt eigentlich nur Schurken(-Staaten). In der Definition von Schurke (voyou) übrigens findet man, dass er ein Aussenseiter ist (seit Geburt) und ohne Vorwarnung angreifen kann.

Da es aber nur noch Schurkenstaaten gibt, ist der Begriff Schurke an sein Ende gestoßen. Somit gibt es den Begriff nicht mehr und auch keine Schurken mehr. Mit diesem löst sich jede Form des Krieges, auch den gegen den Terrorismus, und der Terrorismus selber in Luft auf. Denn Krieg (oder auch Terrorismus) braucht eine regionale Bindung, oder zumindest Staaten, die ihn unterstützen.

Das Ereignis, das er hier natürlich benennen muss, ist der 11.September. Hier flogen zwei amerikanische Flugzeuge, gestartet von amerikanischen Flughäfen, geflogen von in Amerika ausgebildeten Piloten in die Twin Towers. Dieses Ereignis erschütterte die Welt. Er führt aus, die eigentliche Erschütterung war, dass es kein Krieg mehr war, es gab keine Feinde mehr. Im kalten Krieg konnte man noch vom Selbsterhaltungstrieb des Gegners ausgehen, somit war die nukleare Abschreckung wirksam. Ab dem 11.September kann man auf diesen Selbsterhaltungstrieb nicht mehr zählen. Der Angriff kann überall und in jeder Dimension erfolgen. Eigentlich war das schon vor dem 11. September, doch dieser zeigte es medienwirksam weltweit.

In jeder Dimension, da die weltweite Ausbreitung von Nuklearwaffen außerhalb der USA nicht mehr kontrolliert werden kann.

Auch über die Demokratie geht es in diesem Zusammenhang. Anscheinend gibt es keinen einzigen Philosophen von Platon bis Heidegger, der dieses Wort wirklich gut fand. So beschreibt er es als etwas für Frauen (Platons Worte) und Kinder, ein wunderschönes glitzerndes Kleid, dass sich aber jeder anziehen kann. Da es ja ein Kleid ist. Und somit inhaltslos. So gibt es dann auch die liberale Demokratie, die sozialistische, die kapitalistische, die wehrhafte (von mir hinzugefügt) und die autoritäre Demokratie. Für jeden Geschmack ist was dabei (auch Indien und China). Auch die Rechtsradikalen sind seit neuestem lupenreine Demokraten.

Die Demokratie hat das Problem der Auto-Immunisierung. Das bedeutet ein Körper stößt ein körpereigenes Organ ab, und zerstört sich selbst damit (z.B. nach Transplantationen). So führt er den Fall Marokko an, wo, in einer demokratischen Wahl eine nicht-demokratische Partei zu gewinnen drohte. Hier griffen die Autoritäten durch und stoppten die Auszählung.

Ein anderes Problem der Demokratie ist natürlich das Wahlrecht. Gleichheit egal wieviel der einzelne vermag, das -sagt er- ist eine Perversion (er bleibt hier auch nie ohne Quellenangabe und rechtfertigt das sehr tiefgründig). Zudem wer darf wählen, Kinder, Bewohner, Leute, die das Land verlassen haben. Zudem hat das ganze auch noch psychologische Konsequenzen, so nennt er das Unterbewusste, das Über-Ich, das Ich-Ich. Aber die Schizophrenen stellen auch eine Frage.

Zusätzlich kommt die Frage der unbedingten Gastfreundschaft. Diese bedarf des Verzichts auf jedes Asylrecht und jeden Asylantrag. Jeder darf kommen, und wenn er denn da ist muss er auch wählen dürfen. Alles andere ist bedingte Gastfreundschaft. Eine bedingte Gastfreundschaft ist aber keine Gastfreundschaft. Somit ist ein Land mit Asylrecht nicht gastfreundlich.

Seine Quintessenzen sind, die Demokratie ist immer am kommen (a-venir), kommt aber nie an. Deswegen ein Gruß der kommenden Demokratie.

Und über die Vernunft muss man vernünftig nachdenken können.

Zusätzlich habe ich den Begriff der Aporie kennengelernt. Aporie bedeutet wohl ein philosophisches Problem, das nicht gelöst werden kann. Die Demokratie ist ein solches 🙂

Das klingt jetzt alles sehr verwirrend, der Original-Text ist aber noch verwirrender. Eben dekonstruktivistisch.

Buchbesprechung – Piaget, Im allgemeinen werde ich falsch verstanden (Piaget, Bringuier)

„Im allgemeinen werde ich falsche verstanden“ ist eine Sammlung von Interviews, die Jean-Claude Bringuier mit Jean Piaget und einigen seiner Mitarbeiter (z.B. Rolando Garcia) führte.

Hier erfahren wir, dass Piaget ursprünglich Biologe war, der mit 10 Jahren schon seinen ersten Artikel veröffentlichte.

Sein Interesse bestand an Schleimschnecken, die sich verändern, je nachdem, ob sie in ruhigen und rauhen Gewässern leben. Diese Veränderungen können sogar genetisch vererbt werden.

Eine Beobachtung, die den Lamarckismus stützte (also die Theorie, in denen Giraffen lange Hälse bekommen, weil sie sich immer nach den Blättern ganz oben strecken).

Später dann beschäftigte er sich mit Erkenntnistheorie. Seine zentrale Idee war hier, sich Kinder anzuschauen, die sozusagen erkenntnislos geboren werden und dann (aufbauend auf Reflexen und Instinkten) die ganze Wissenschaftsgeschichte durchlaufen. Bis sie dann den Erkenntnisstand eines Menschen der Gegenwart haben.

Piaget hat diese Theorie fachübergreifend untersucht. In seinem „Centre“ (frz. Zentrum) berief er hierfür Kongresse ein, auf denen alle Fachrichtungen vertreten waren. Er moderierte als „patron“ das Geschehen aus dem Hintergrund und sorgte dafür, dass sich das Wissen aller eingeladenen Spezialisten im Geiste des Austauschs gegenseitig befruchten konnte.

Diese zentrale Idee heißt in Fachkreisen: Rekapitulationstheorie. Viele kennen die Theorie vielleicht in einem anderen Zusammenhang als: Die Ontogenese rekapituliert die Phylogenese (also das Embryo entwickelt sich durch die Phasen der menschlichen Evolution(Stammesgeschichte)).
Sie gilt allerdings als überholt (also falsch).

Piagets Arbeiten zeichnete sich durch eine qualitative Untersuchung aus. Also ihn interessierten die Hintergründe und die Tiefe der einzelnen Aussagen. Im Gegensatz dazu steht die quantitative Untersuchung, also die statistische Häufigkeit von Aussagen oder Ereignissen.

Einer seiner Mitarbeiter schwärmt von Piagets Einstellung zu Kindern. Er begegnete ihm mit einem großen Respekt, so wie anderen Menschen auch. Für ihn waren es keine Forschungsobjekte oder niederen Wesen, sondern Menschen, die ihre eigene Geschichte hinter sich hatten. Eine Erkenntnis eines Kindes war auf ihrem Level gleich wertvoll und gleich kompliziert, wie die eines großen Denkers, ja Kinder waren große Denker für ihn.

Seine Forschung beruht auf Kants Philosophie und er beschäftigt sich mit philosophischen und naturwissenschaftlichen Fragen, und wie die Genese (Entstehung) ihres Verständnisses sich in einem Kind entwickelt. Für ihn durchläuft das Kind verschiedene Entwicklungsstufen. Es fängt sozusagen als Steinzeitmensch an (Reflexe und Instinkte), kommt dann in die Antike usw.

Diese Stufen bindet er an das Alter des Kindes.

Als Beispiel ist hier die Volumeninvarianz genannt. Das bedeutet, wenn ich Wasser in ein anderes Gefäß schütte, verändert sich die Menge (Volumen) des Wassers nicht.

Er schüttet also Wasser von einem kleinen Glas in ein großes Glas.

Dann fragt er das Kind gleichviel, mehr oder weniger.

Das Kind sagt auf der ersten Stufe: Mehr. Erst später kommt es darauf, dass es gleichviel ist.

Ein anderes interessantes Phänomen ist das „Nachreifen“.

Hier lässt er ein Kind eine Zeichnung ansehen, darauf sind 10 Strichen, die alle verschieden lang sind und der länge nach geordnet sind.

Nach einiger Zeit verdeckt er die Zeichnung und bittet das Kind nachzuzeichnen. Das Kind zeichnet in der ersten Stufe zwei Striche, den kleinsten und den größten.

In späteren Entwicklungsstufen zeichnet es mehr. Erst in der letzten Stufe zeichnet es alle.

Nun kommt der Clou: sieht er das Kind einige Zeit später wieder (nächste Entwicklungsstufe), so zeichnet es die Zeichnung präziser nach, als kurz nachdem es sie gesehen hatte.

Zu dem Aberglauben, dass Kinder in den ersten 3 Jahren besonders viel lernen äußert sich Piaget ebenfalls eindeutig: „Nein, Nein, nein. Das stimmt überhaupt nicht. Strukturen bilden sich jederzeit.“

Besonderer Verdienst: Piaget zeigte auf, dass der Geist eines Kindes nicht einfach nur ein undurchdringliches Chaos ist (wovon man damals ausging). Sondern Erkenntnisse (Strukturen) sich ab der ersten Sekunde nach der Geburt entwickeln, diese werden stetig verfeinert.

Kritik: Da Piagets Werk enormen Umfang hat, ist dieses Buch (eine aufgearbeitete Einführung) wenig geeignet sich schon kritisch zu äußern, also werde ich das an diesem Punkt auch unterlassen.

Nur manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass Piaget auf Erziehungsergebnissen arbeitet. Also den Erklärungen, die die Kinder von Eltern und Lehrern über die Welt bekommen haben. Da Erklärungen von Eltern meistens intuitiv vereinfacht sind, und Lehrer sich an der Didaktik (und somit auch an der geschichtlichen Entstehung) der jeweiligen Wissenschaft orientieren kann es also sein, dass er einfach nur den Lehrplan als Epiphänom untersucht hat, ohne dies zu bemerken.

Für dieses Gefühl spricht auch, dass sich chinesische Kinder anders entwickeln, als westliche Kinder, da ihre Kultur (und damit Erziehung) mehr am Kollektiv ausgerichtet ist.

Buchbesprechung – Die Entdeckung des Kindes (Maria Montessori)

Vorwort zu Buchbesprechung:

Meine Buchbesprechungen spiegeln nur meinen Wissenstand wieder. Es kann sein, dass ich etwas falsch verstanden habe, dass die Forschung schon viel weiter ist, oder ich in einem Monat mehr weiß und widerrufen würde.

Auch ist meine persönliche Meinung enthalten. Also wer das liest, bitte nicht für bare Münze nehmen. Es ist nur eine Meinung.

Sollte ich etwas falsch verstanden haben, bitte keine Scheu zeigen und mich korrigieren oder zu einem Diskurs herausfordern.

Zum Buch:

Die Entdeckung des Kindes stellt M.s Zusammenfassung ihrer Erziehungsmethode von Kinder vor.

Sie betont, dass das Kind am Anfang nichts kann, und dessen Geist nach Ordnung sucht. Nur das vollständige Absolvieren einer Erziehung, kann die vom Kind ersehnte Ordnung in den Geist bringen und ihn somit nutzbar für das Kind machen.

In herkömmlichen Schulen wird dieser Geist stattdessen gebrochen. Ebenso wird das Rückgrat gebrochen, dieses ist für sie der älteste und stärkste Teil des menschlichen Skelettes – durch Stühle, die die Bewegung zugunsten der (für Frontalunterricht) benötigten Stille einengen. Durch Pulte, die durch katholische Sexaversion, gut sichtbar erkennen lassen, was unter den Bänken vorgeht.

Sie baut auf Fröbel, Itard und Seguin auf, die schwachsinnige (Idioten) und fast Taube behandelten, und bemerkenswerte Erfolge erzielten.

M’s Kinderhäuser haben ein paar herausstechende Merkmale:

– Kinder sind Forschungsobjekte, die der Lehrer beobachten soll, und begleiten soll. Lehrer sind also Forscher

– Kurze Lektionen, knapp das wichtigste, ohne Umschweife erklären.

– Keine Hintergründe, nur die Fakten

– Sie sind im selben Haus, wie die Eltern.

– Sie ersetzen Stühle mit Teppichen

M. überträgt sehr früh, sehr viel Verantwortung an die Kinder. Wenn Kinder länger Zeit brauchen, gibt sie ihnen diese, und kritisiert die Herangehensweise der herkömmlichen Schule (und Erziehung) von Kindern die selbe Geschwindigkeit zu verlangen, oder sie z.B. einfach selbst anzuziehen, anstatt zu warten.

M. ist wohl berühmt geworden für die Stilleübung (das Kind lernt in einem sehr schönen Spiel (meiner Meinung) still zu sein) und für die frühen Erfolge beim Schreiben und Lesen.

Stilleübung (Kurzform):

1.) „Schaut mal so ist man still, tut es mir nach“ – warten, bis alle ganz still sind, auch die Bewegungen

2.) Verdunklung des Raumes, Atem der Kinder wird leiser.

3.) „Hört ihr den Hund draussen, hört ihr die Vögel mit den Flügeln schlagen?“

4.) M geht in Nebenraum, Tür einen Spalt offen, flüstern des Namens jedes Kindes. Das Kind kommt dann ganz leise herbei, und muss seine Freude unterdrücken.

Lesen/Schreiben (Kurzform):

-Buchstaben ausschneiden, Karton, Sandpapier draufkleben (fürs Fühlen).

-Buchstaben erkennen.

-Kinder können Wörter zusammensetzen – ohne sie zu lesen zu können. „Di Donato“ – „dieses T glaube ich wird in der Welt der Erziehung ein Wunder bewirken.“

-Kinder entdecken, dass sie schreiben können (Amok-Schreiben)

-Kinder können einfache Wörter lesen (Zuordnen von einem gelosten Wort zu dessen Gegenstand)

-Einfache Befehlssätze sind die Brücke zu richtigem Lesen („Gehe im Raum herum und öffne die Fenster“, „Hole 3 Kameraden und singe mit ihnen ein Lied“)

M. wird mit dem Phänomen der intrinsischen Motivation konfrontiert, kann es aber nicht verstehen, warum Belohnungen auf einmal uninteressant sind, sondern die Aufgabe die Belohnungen sogar vergessen macht.

Dies deutet sie an, dass sie es im Buch „Kinder sind anders“ noch einmal genauer untersucht. – Dabei erfahren wir, dass Kinder gar nicht anders sind, sondern der Originaltitel „Il segreto del‘ Infantia“ (Das Geheimnis der Kindheit) heißt. Da auch Erwachsene mittlerweile als Geheimnis gelten, ist der Buchtitel „Kinder sind anders“ verwirrend gewählt.

Besondere Erwähnung verdienen die „3 Zeiten“, das ist ein Erklärungsmodell, das in 3 Schritten abläuft:

1.) Das ist blau, Das ist rot

2.) Welches ist blau, welches ist rot

3.) Welche Farbe hat das

Zusätzlich hat die Sinneserziehung einen Grundsatz:

Dinge sind in einer Dimension verändert, in allen anderen konstant. Z.B. 4 gleiche Würfel, unterschiedliche Farben. Oder 4 gleiche Würfel, unterschiedliche Länge.

(es erinnert ein bisschen daran, wie Roboter Gläser greifen lernen).

Zusätzlich beschreibt sie auch noch die sensitive Phase:

Dies soll bedeuten, dass Kinder in den ersten 3 Jahren besonders gut lernen. Und dann noch mal besonders gut bis 6 Jahre. Das ganze ist etwas komisch, da Montessori sich nur mit Kindern in diesem Alter beschäftigt. Außerdem schreibt sie an mehreren Stellen, wie toll es wäre, wenn auch die weiterführenden Grundschulen sich solch toller Erziehungsmethoden bedienen würden.

Ihren Sohn Mario erwähnt sie in dem Buch in den höchsten und löblichsten Tönen.

Sie gibt auch noch viele verstreute Hinweise und leistet eine Menge Überzeugungsarbeit, zusätzlich gibt sie Tipps zu allen Fächern (auch Arithmetik, aber diese sind ja nicht spektakulär).

Zudem versichert sie, dass die Kinder auf jeden Fall phänomenal stille und andächtige Kirchgänger werden, mit dem allerhöchsten Respekt vor jeder einzelnen Hostie. Wahrscheinlich hätte sie der Papst sonst verbrennen lassen.

Kritik:

M. ist wohl der Feind jeder Kreativität und jeden Spiels, das für sie sinnlos ist. Kinder, die anfangen mit dem Lernmaterial „sinnlos“ zu spielen, denen muss es sofort weggenommen werden. Gezeichnet wird auch starr, damit am Ende „schöne“ Sachen herauskommen.

Auch das eigene Herausfinden ist für sie wohl ambivalent, da sie es sowohl als das wichtigste überhaupt ansieht, als auch eine Verschwendung von Energie. Das arme Kind könnte diese ja gezielt einsetzen.

Insgesamt muss man auf jeden Fall den geschichtlichen Kontext betrachten, M. war eine Frau, die im Rom von vor 100 Jahren sagte: „Kinder sind nicht böse, sondern gottgleicher als der Papst selber“.

Wir müssen ihnen nur die Chance geben sich entfalten zu können, anstatt sie in unser krankes System zu pressen.

Hut ab, auch wenn die pädagogischen Betrachtungen mittlerweile wohl eher historischen Wert haben, stellen sie doch einen der ersten Schritte in die Unschooler-Pädagogik dar.

Da M. hauptsächlich überzeugen will, ist es ein sehr langes und besonders langes Buch. Zudem ist es echt lang (im Verhältnis zum Inhalt). Es kommt selten was wirklich neues (vom heutigen Standpunkt aus).

Manchmal widerspricht sie auch ihrer eigenen Argumentation.

Dass M. ein Feind jeglicher Kreativität und jeglichen Spiels ist kann man auch an der Satzstellung erkennen. Sehr verkrampft und nur gut, wenn man einschlafen will. Vielleicht wollte sie aber möglichst wissenschaftlich klingen 🙂 Vielleicht ist aber auch nur die Übersetzung schlecht gewesen und M. ist ein genialer Schriftsteller. Das weiß ich leider nicht.